Automatischer hydraulischer Abgleich – Alles Quatsch?!

von | Aktualisiert am 12.07.2024 | 59 Kommentare

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„Automatischer hydraulischer Abgleich“ heißt das neue Zauberwort bei vielen Ventilherstellern. Ich weiß nicht wo diese Wortschöpfung herkommt, aber meiner Meinung nach gibt es keinen automatischen hydraulischen Abgleich! Warum ich so denke, könnt ihr hier nachlesen. Falls du noch nicht weißt was ein hydraulischer Abgleich ist, findest du in meinem Beitrag „Was ist ein hydraulischer Abgleich?“ eine Antwort.

Der automatische hydraulische Abgleich

Der automatische hydraulische Abgleich wird derzeit als die Innovation für neue voreinstellbare Heizkörperventile mit Differenzdruckregelung beworben. Hersteller sind beispielsweise Danfoss (Dynamic Valve), IMI Heimeier (Eclipse Ventile) oder Oventrop (Baureihe AQ).

Werbeaussagen wie „Aufwendige Berechnung von Voreinstellwerten entfallen. Nur die jeweiligen erforderlichen Volumenströme durch die Verbraucher müssen bekannt sein.“ (HLH Heft 01/2017 S.5 – Werbung Oventrop), stiften aus meiner Sicht jedoch eher Verwirrung, als dass sie einen Nutzen bringen.

Warum? Das Schwierige bei einem hydraulischen Abgleich ist gerade die Berechnung der Volumenströme, wie im fünften Schritt meiner Serie zum hydraulischen Abgleich nachzulesen ist. Wenn man die Volumenströme berechnet hat, ist die Ermittlung der Voreinstellwerte für die Heizkörperventile nur noch die notwendige Schlussfolgerung, welche aus Tabellen abgelesen werden können.

In einem Folgesatz der Werbeanzeige (HLH Heft 01/2017 S.5 – Werbung Oventrop) steht dann: „Einmal auf den richtigen Wert eingestellt, wird der Durchfluss automatisch geregelt (automatischer hydraulischer Abgleich).“

Huiiii….die dynamische Anpassung der Volumenströme als „automatischen hydraulischen Abgleich“ zu bezeichnen, finde ich persönlich etwas weit hergeholt. Hier möchte ich einmal einen Teil der Definition von Wikipedia für einen hydraulischen Abgleich heranziehen:

„Der hydraulische Abgleich beschreibt ein Verfahren, mit dem innerhalb einer Heizungsanlage jeder Heizkörper oder Heizkreis einer Flächenheizung auf einen bestimmten Durchfluss des warmen Wassers eingestellt wird.“ Wikipedia

So sehe ich das auch. Der hydraulische Abgleich ist ein Verfahren, bei dem die Voreinstellwerte der Heizkörperventile bestimmt werden müssen und diese basieren auf den Volumenströmen, welche ich vorher berechnen muss. Hier passiert also nichts automatisch.

Um es kurz zu fassen: Wir reden hier von einem dynamischen hydraulischen Abgleich und nicht von einem automatischen. Der hydraulischer Abgleich wird seit Jahrzehnten zwischen statisch und dynamisch unterschieden:

Hydraulischer Abgleich – statisch und dynamisch

Ein klassischer statischer hydraulischer Abgleich wird in größeren Gebäuden mit Strangregulierventilen und voreinstellbaren Heizkörperventilen durchgeführt. Grundlage dafür sind die berechneten Volumenströme im Auslegungsfall (Volllastfall). Diese Volumenströme und die daraus resultierenden Voreinstellwerte sind dann auch nur für den Volllastfall richtig, sodass die Hydraulik im Teillastfall nicht immer optimal ist. Dennoch ist diese Form des hydraulischen Abgleichs besser als keine Optimierung.

Ein klassischer dynamischer hydraulischer Abgleich wird in größeren Gebäuden mit Differenzdruckreglern, voreinstellbaren Heizkörperventilen und elektronisch geregelten Heizungspumpen mit konstanter/ variabler Differenzdruckregelung durchgeführt. Grundlage hierfür sind ebenfalls die berechneten Volumenströme im Auslegungsfall (Volllastfall). Die Volumenströme in den einzelnen Strängen werden jedoch durch die Differenzdruckregler und die Pumpen im Teillastfall dynamisch angepasst, sodass die hydraulischen Gegebenheiten auch im Teillastfall optimal sind.

Voreinstellbare Heizkörperventile mit interner Differenzdruckregelung

Die nun auf dem Markt befindlichen voreinstellbaren Heizkörperventile mit interner Differenzdruckregelung haben einen wichtigen Vorteil: Sie verfeinern die dynamische Anpassung der Volumenströme hinter den Differenzdruckreglern im Teillastfall an den Heizkörpern und sorgen dafür, dass auch eine dynamische Anpassung der Volumenströme in Häusern stattfinden kann, in denen keine Differenzdruckregler eingesetzt werden. Durch den Einsatz solcher Ventile werden die hydraulischen Gegebenheiten im System also weiter stark verbessert.

Das ist eine richtig gute Entwicklung und die genannten Hersteller können sich dafür alle auf die Schultern klopfen. Das Berechnen der Volumenströme und das Voreinstellen der Komponenten muss dennoch im Vorhinein gemacht werden. Der hydraulische Abgleich ist also nicht automatisch.

Fazit

Liebe Hersteller, die Entwicklung voreinstellbarer Heizkörperventile mit interner Differenzdruckregelung ist eine echte Bereicherung für den Heizungsmarkt und kann das Einsparpotenzial durch einen hydraulischen Abgleich weiter erhöhen. Wenn ich jedoch als Verbraucher, Techniker oder Ingenieur in einer Werbeanzeige zu diesem Thema „automatisch“ lese, denke ich von einem automatischen Verfahren für den hydraulischen Abgleich, der mir das ganze Rechnen sowie die Datenaufnahme erspart.

Dazu sind eure Ventile jedoch nicht in der Lage. Ich muss immer noch Daten aufnehmen und Sachen berechnen. Eure Ventile verfeinern die hydraulischen Gegebenheiten im Heizungsnetz während des Betriebs und das ist grandios! Ich weiß, diese Aussage hört sich nicht sexy an und damit verkauft man vielleicht auch nicht so viel. Aber bitte, lasst euch nicht zu solchen Werbeaussagen hinreißen, denn Verwirrung hilft in diesem schon verwirrenden Thema niemandem weiter.

Falls ihr das alles anders seht, Fragen, Anregungen oder Kritik habt, nutzt die Kommentarfunktion. Ich freue mich darauf.

Liebe Grüße, Martin.

Übersicht zur Serie “Hydraulischen Abgleich selber machen”:

Zugehörige Beiträge außerhalb der Beispielserie:

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