Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 1: Grundlagen

von | Aktualisiert am 18.10.2024 | 46 Kommentare

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Der hydraulische Abgleich ist das Schreckgespenst für viele Handwerksfirmen und es wird oft behauptet, dass sich ein hydraulischer Abgleich in Bestandsgebäuden nicht lohnt.
Hauptargument: Die ganzen Daten, die zur Berechnung notwendig sind, fehlen. Es gibt allerdings gute Nachrichten: Das vereinfachte Berechnungsverfahren für den hydraulischen Abgleich basiert auf Annahmen, und überzeugt mit hervorragenden Ergebnissen.

In dieser Serie erfahrt ihr, wie ihr einen hydraulischen Abgleich mit dem vereinfachten Berechnungsverfahren selber durchführen und eure Heizkostenabrechnung um bis zu 13 % senken könnt.

In diesem ersten Schritt zur Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“ schauen wir uns ein paar Grundlagen und Berechnungsmethoden für das vereinfachte Verfahren zum hydraulischen Abgleich an. In den jeweiligen Abschnitten könnt ihr dann direkt zu den jeweiligen Schritten springen.

Falls ihr noch nicht genau wisst, was ein hydraulischer Abgleich ist, empfehle ich euch meinem Beitrag „Was ist ein hydraulischer Abgleich„. Dort bekommt ihr den hydraulischen Abgleich noch einmal einfach und verständlich erklärt.

Hydraulischer Abgleich in Bestandsgebäuden

In Neubauten wird der hydraulische Abgleich gemäß VOB/C DIN 18380 über das Rohrnetz und auf Grundlage des benötigten Wärmebedarfs berechnet. Dabei findet eine genaue Ermittlung der Rohrnennweiten sowie der Voreinstellwerte für Heizkörper- und Rohrleitungsarmaturen statt.

In Bestandsgebäuden ist dies jedoch etwas schwieriger, da Bestandsunterlagen und Schemata nicht immer vorhanden sind. Eine detaillierte Datenaufnahme würde daher den Kostenrahmen für einen hydraulischen Abgleich sprengen und ihn unwirtschaftlich machen.

Hier kommt das „vereinfachte Verfahren“ für den hydraulischen Abgleich ins Spiel. Durch das Rechnen mit überschlägigen Werten und Annahmen lässt sich mit dieser Methode ein hydraulischer Abgleich hinreichend genau durchführen. Ich habe das vereinfachte Verfahren für den hydraulischen Abgleich im Jahr 2009 in einem Feldversuch angewandt. Ziel war es, das Energieeinsparpotential eines hydraulischen Abgleichs unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit in einem Bestandsgebäude aufzuzeigen.

Ergebnis: Die Amortisationszeit der Maßnahme lag bei 5,54 Jahren und ist somit kurz- bis mittelfristig. Eingebaut wurden voreinstellbare Heizkörperventile, neue Thermostatköpfe, strangweise Differenzdruckregler und elektronisch geregelte Umwälzpumpen der Energieeffizienzklasse A.  Die Energieeinsparung lag bei 13,1 % an Wärmeenergie im ersten Jahr. Die Durchführung eines hydraulischen Abgleichs mit dem vereinfachten Verfahren ist somit als kostengünstige Energieeinsparmaßnahme zu empfehlen.

Im Folgenden werde ich euch die Schritte zeigen, welche im vereinfachten Verfahren Anwendung finden.

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Durchführung hydraulischer Abgleich

Zu Beginn des hydraulischen Abgleichs ist es wichtig einige Daten aufzunehmen, Annahmen zu treffen und Berechnungen durchzuführen.

Heizlastberechnung – Ermittlung des spezifischen Wärmebedarfs

Im ersten Schritt (2. Schritt in dieser Serie) ist der Wärmebedarf für jeden beheizten Raum zu ermitteln. Wenn der Wärmebedarf nicht bekannt ist, besteht die Möglichkeit diesen für jeden Raum überschlägig zu bestimmen. Dabei ist zu beachten, dass der Wärmebedarf in Eckräumen oder Räumen mit einer großen Fensterfläche größer ist als in Räumen mit kleinen Fenstern oder nur einer Außenwand.

Ich habe für die Ermittlung des spezifischen Wärmebedarfs Q_{spez.} die Werte von „DeltaQ – Energetische Klassen von Gebäuden“ herangezogen. Demnach können die folgenden Werte für den spezifischen Wärmebedarf angenommen werden. Die Einheit für den spezifischen Wärmebedarf ist Watt pro Quadratmeter [W/m²]

  • 15 – 30 W/m² Ultra – Niedrigenergiehaus (Drei-Liter-Haus)
  • 25 – 40 W/m² Niedrigenergiehaus
  • 30 – 50 W/m² Gebäude nach EnEV 2002
  • 40 – 60 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1995
  • 60 – 100 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1982
  • 70 – 130 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1977
  • 130 – >200 W/m² Gebäude ohne Wärmeschutz von vor 1977

Anschließend wird die spezifische Heizlast \Phi_{HL,spez.} der jeweiligen Räume i ermittelt. Falls Ihr mit dem Begriff Heizlast nichts anfangen könnt, empfehle ich euch meinen Beitrag zur Heizlastberechnung. Die spezifische Raumheizlast setzt sich aus der beheizten Fläche des Raumes A_i und dem spezifischen Wärmebedarf Q_{spez.} zusammen:

    \[\boxed{\Phi_{HL,i,spez.}=A_i \cdot Q_{spez.}}\]

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 2: Heizlastberechnung gehe ich detailliert auf die Ermittlung der Heizlast ein und zeige anhand von Beispielen die verschiedene Möglichkeiten auf. Dazu gehört neben der energetischen Gebäudeklasse auch die Ermittlung der Heizlast mittels App oder Datenschieber.

Datenaufnahme der Heizflächen

Als Nächstes (3. Schritt in dieser Serie) werden die Heizflächen in allen Räumen aufgenommen. Für die Aufnahme der Heizkörper werden folgende Daten benötigt:

  • Heizkörpermaße (Tiefe, Höhe, Länge [mm])
  • Heizkörpertyp (DIN Heizkörper, Flachheizkörper, Röhrenradiator, Badheizkörper)
  • Ventiltyp (voreinstellbar Ja/Nein, Fabrikat)

Nach der Aufnahme der Heizflächen ist es notwendig die Systemtemperaturen der Heizungsanlage zu ermitteln. Dies kann beispielsweise über die Parameter der Heizkurve, welche in der Heizungsregelung hinterlegt sind, geschehen. Typische Systemtemperaturen für Warmwasserheizungssysteme sind 80/60 °C, 70/50 °C oder 55/45 °C. Mit der Durchführung eines hydraulischen Abgleichs wird eine Temperaturspreizung von 15 bis 20 Kelvin angestrebt. Es ist daher sinnvoll mit einer Temperaturspreizung von 15 bzw. 20 Kelvin zu rechnen.

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 3: Datenaufnahme“ zeige ich Schritt für Schritt, wie Ihr die Typen eurer Heizkörper identifizieren und anschließend die Daten in eine Tabelle eintragen könnt.

Liste der aufgenommenen Heizkörper
Abbildung 1: Liste der aufgenommenen Heizkörper

Berechnung der Heizkörper

Anschließend (4. Schritt in dieser Serie) wird die Leistung der Heizkörper berechnet. Dadurch kann die installierte Leistung der Heizkörper mit der geschätzten Raumheizlast verglichen werden. Ist die geschätzte Raumheizlast höher oder niedriger als die installierte Heizleistung, besteht die Möglichkeit die Vorlauftemperatur im Anschluss des hydraulischen Abgleichs anzupassen.

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 4: Berechnen der Heizkörperleistung“ zeige ich euch Schritt für Schritt, wie Ihr die Leistung eurer Heizkörper berechnen und ermitteln könnt.

Volumenstrom berechnen

Als nächstes (5. Schritt in dieser Serie) wird der notwendige Volumenstrom \dot V für jeden Heizkörper ermittelt. Dazu werden die Heizkörperleistung \dot Q, die Dichte von Wasser \rho, die spezifische Wärmekapazität von Wasser c und die Temperaturspreizung \Delta\vartheta benötigt. Die Formel zur Volumenstromberechnung ist folgende:

    \[\boxed{\dot V=\frac{\dot Q} {\rho \cdot c \cdot \Delta\vartheta}}\]

Für die Auswahl der Thermostatventile (auch thermostatische Heizkörperventile oder Thermostatköpfe – kurz THKV) wird empfohlen eine Regeldifferenz von 1 K zu nutzen. Einen interessanten Beitrag zur Auswahl von Thermostatventilen findet ihr unter dem folgenden Link: IKZ-Haustechnik – Auswahl von Thermostatventilen. Der Auslegungsdifferenzdruck des Heizkörperventils sollte ca. 50-100 mbar betragen.

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 5: Volumenstrom berechnen“ zeige ich euch anhand eines Beispiels Schritt für Schritt, wie Ihr die Volumenströme eurer Heizkörper berechnen und ermitteln könnt.

Voreinstellung der Heizkörperventile bestimmen

Mit dem berechneten Volumenstrom und dem vorher festgelegten Differenzdruck von 50-100 mbar können die Voreinstellwerte der Heizkörperventile (6. Schritt in dieser Serie) über Auslegungsdiagramme der Ventilhersteller bestimmt werden. Weiterhin gibt es von verschiedenen Ventilherstellern kostenlose Auslegungsprogramme oder kostenlose Apps für Smartphones, welche die Bestimmung der Voreinstellwerte vereinfachen.

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 6: Voreinstellung der Heizkörperventile“ zeige ich euch anhand eines Beispiels Schritt für Schritt, wie Ihr die Voreinstellwerte der Heizkörperventile ermitteln könnt.

Voreinstellung Danfoss-RA-N Heizkoerperventil
Abbildung 2: Voreinstellung Danfoss-RA-N Heizkoerperventil

Einsatz von Differenzdruckreglern

Sollte man in einem größeren Gebäude einen hydraulischen Abgleich durchführen wollen, empfiehlt sich der strangweise Einsatz von Differenzdruckreglern. Zum einen sorgen Differenzdruckregler für einen konstanten Differenzdruck am Thermostatventil im Voll- und Teillastbereich, zum anderen schützen Differenzdruckregler vor Geräuschen im Heizungsnetz. Da ein Thermostatventil bis zu einem Druckverlust von maximal 150 mbar geräuscharm arbeiten kann, sollte der maximale Differenzdruck von 150 mbar über einen Strang nicht überschritten werden. Ab einer Pumpenförderhöhe von 1,5 mWS (entspricht 150 mbar) empfiehlt sich daher der strangweise Einsatz von Differenzdruckreglern.

Berechnung der Förderhöhe und des Förderstroms für die Heizungspumpe

Im nächsten Schritt (7. Schritt in dieser Serie) wird die Förderhöhe sowie der Förderstrom der Heizungspumpe berechnet. In meinem Beitrag zur Auslegung einer Heizungspumpe habe ich anhand einer Beispielrechnung gezeigt, wie mit wenigen Daten eine Heizungspumpe ausgelegt werden kann. Die Auslegung der Heizungspumpe werden wir nach diesem vereinfachten Verfahren durchführen.

Im Beitrag „Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 7: Heizungspumpe berechnen“ zeige ich euch anhand eines Beispiels Schritt für Schritt, welche Daten Ihr für die Heizungspumpe benötigt und wie ihr gegebenenfalls eine Heizungspumpe auslegen könnt.

Heizungspumpe von Wilo
Abbildung 3: Heizungspumpe von Wilo

Dokumentation des hydraulischen Abgleichs

Um später einen schnellen Überblick über die Berechnung zu erhalten oder gegebenenfalls Änderungen vorzunehmen, ist es wichtig die Durchführung des hydraulischen Abgleichs zu dokumentieren. Dazu werden die aufgenommenen, angenommenen und berechneten Werte und Daten in Tabellen und Zeichnungen hinterlegt. Dazu gehören unter anderem die jeweiligen Heizkörper mit zugehöriger Nummer (vergeben werden laufende Nummern), Raum, Strang, Raumheizlast, Heizkörperleistung, Volumenstrom und natürlich die Voreinstellung der Heizkörperventile.

Fazit

Mit diesen Grundlagen seid ihr gerüstet einen hydraulischen Abgleich mit dem vereinfachten Verfahren selber zu berechnen. Im nächsten Schritt erfolgt die Datenaufnahme in dem vorgestellten Beispielhaus.

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Ich hoffe, ich konnte euch mit diesem Beitrag ein paar wichtige Grundlagen zur Durchführung des hydraulischen Abgleichs zeigen und wünsche euch viel Spaß mit eurem hydraulischen Abgleich. Falls ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt, nutzt die Kommentarfunktion.

Viele Grüße Martin

Weiterführende Links und Quellen:
VDMA 24199
ZVSHK – Fachinformation zum hydraulischen Abgleich
DeltaQ – Energetische Klassen von Gebäuden
IKZ Haustechnik – Hydraulischer Abgleich

IKZ Haustechnik – Auswahl von Thermostatventilen
Wikipedia – hydraulischer Abgleich
Wikipedia – Heizkurve
Hydraulischer Abgleich – Bruno Bosy

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Martin-SchlobachHallo, ich bin Martin, ein leidenschaftlicher Ingenieur aus dem Bereich der Gebäude- und Versorgungstechnik. Wer ich bin und warum ich diesen Blog schreibe, erfahrt ihr hier.

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