Im vierten Schritt der Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“ werden wir die Leistungen der vorhandenen Heizkörper berechnen. Die Heizkörperleistung benötigen wir zum einen, um festzustellen, ob die installierte Heizkörperleistung bei den gewünschten Systemtemperaturen ausreichend ist, und zum anderen können wir mit den ermittelten Heizkörperleistungen sowie den ermittelten Raumlasten im nächsten Schritt die notwendigen Volumenströme und Voreinstellungen der jeweiligen Heizkörper ermitteln.
Inhaltsverzeichnis
Ermittlung der Heizkörperleistung
Falls ihr die Heizkörperleistungen eurer Heizkörper kennt (z.B. aus Produktkatalogen oder Herstellerunterlagen), könnt ihr einzelne Schritte in diesem Beitrag überspringen. Ihr braucht lediglich die bekannten Leistungsdaten, mit dem folgend ermittelten Umrechnungsfaktor zur Heizkörpernormleistung, auf eure gewünschte Systemtemperatur umrechnen.
Da in unserem Beispielgebäude keine Daten oder Produktinformationen zu den vorhandenen Heizkörpern vorliegen, werden wir die Heizkörperleistungen der einzelnen Heizkörper berechnen.
Hinweis: Da nicht in jedem Gebäude die gleichen Heizkörpertypen wie in unserem Beispiel verbaut sind, habe ich in dem folgenden Artikel für jede Heizflächenart eine Beispielrechnung durchgeführt: Berechnung von alten Heizkörpern im Bestand.
Bevor wir mit der Berechnung der Heizkörperleistung beginnen können, ist es notwendig den Umrechnungsfaktor für die Heizkörpernormleistung zu ermitteln.
Umrechnungsfaktor der Heizkörpernormleistung
In der Heizkörpernorm DIN EN 442 sind die Heizkörpernormleistungen hinterlegt, welche durch anerkannte Prüfstellen ermittelt werden. Alle Heizkörpernormleistungen werden jedoch nur für die Systemtemperaturen 75/65/20 angegeben (Vorlauf , Rücklauf
und Raumtemperatur
).
Da wir in unserem Heizsystem jedoch eine Systemtemperatur von 75/55/22 anstreben (siehe Schritt 3 der Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“), müssen wir eine Umrechnung auf diese durchführen. Die Umrechnung erfolgt mit der folgenden Formel:
Die darin stehenden Faktoren stehen für:
– Temperatur des Vorlaufs während des Betriebes
– Temperatur des Rücklaufs während des Betriebes
– Raumtemperatur während des Betriebes
– Heizkörperexponent
Der Heizkörperexponent ist für die verschiedenen Heizkörperarten und -größen in der DIN EN 442 oder in dem Bericht von DeltaQ – Heizflächenarten (Recknagel Sprenger hinterlegt.
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Aus den genannten Faktoren wird die logarithmische Übertemperatur vom Betriebsfall und vom Normfall berechnet. Wenn wir nun unsere Systemtemperaturen von 75/55/22 in die Formel einsetzen ergibt sich folgendes Bild:
Ausgerechnet ergeben sich in unserem Beispiel die logarithmischen Übertemperaturen für den Betriebsfall von 42,2 Kelvin und für den Normfall von 49,8 Kelvin. Zur Berechnung der Heizkörperleistung ergibt sich daraus der Faktor 0,847.
Berechnung der Heizkörperleistung
In unserem Beispielgebäude sind Flachheizkörper ein Handtuchheizkörper und eine Fußbodenerwärmung verbaut. Beispielrechnungen zu anderen Heizkörpertypen findet ihr in dem folgenden Beitrag: Berechnung von alten Heizkörpern im Bestand.
Berechnung der Flachheizkörper
Ich werde mit der Berechnung der Flachheizkörper beginnen und eine Beispielrechnung für den Heizkörper Nr. 1 im Vorraum durchführen.
Es handelt sich dabei um einen profilierten Plattenheizkörper mit folgenden Maßen:
- Heizkörpertyp: Ventilheizkörper PKP 21
- Tiefe: 80 mm
- Höhe: 500 mm
- Breite: 800 mm
- Ventil voreinstellbar: Ja
- Typ: Danfoss
Im ersten Schritt der Berechnung gehen wir in den Bericht von DeltaQ – Heizflächenarten (Recknagel Sprenger) und suchen nach der Tabelle mit den Normwärmeleistungen für senkrecht profilierte Flachheizkörper. Diese befindet sich in unserem Beispiel auf Seite 6 – Tafel 2-1 (siehe Abbildung 1).
Wie ihr schnell feststellen werdet, gibt es in dieser Tabelle keinen Heizkörper mit der Tiefe von . Ich habe mich daher dazu entschlossen, den Wert für den Typen 21 zu nehmen, welcher
entspricht. Somit kommen wir mit den genannten Werten zu einer Heizkörperleistung von
und einem Heizkörperexponenten von
.
Da sich die Normwärmeleistung auf Watt pro Meter bezieht, müssen wir in der Berechnung die Heizkörperbreite
von
berücksichtigen. Es ergibt sich daraus folgende Formel:
Wenn wir nun die ermittelte Raumheizlast des Vorraums (siehe Schritt 2 der Serie hydraulischen Abgleich selber machen) von mit der ermittelten Heizkörperleistung von
vergleichen, sehen wir, dass die Heizkörperleistung bei den gewünschten Systemtemperaturen von 75/55/22 ausreicht.
Wie in der Beispielrechnung beschrieben, habe ich anschließend alle Flachheizkörper in unserem Beispielhaus berechnet und in einer Tabelle hinterlegt (siehe Abbildung 2)
Bei der Berechnung der Flachheizkörper mit den Systemtemperaturen 75/55/22 ist mir sehr schnell aufgefallen, dass ca. der Heizkörper weit überdimensioniert sind. Daher habe ich probehalber auch die Heizkörperleistung bei einer Systemtemperatur von 70/50/22 berechnet. Interessanterweise war auch hier die Heizkörperleistung bei ca.
der Heizkörper ausreichend.
In Abbildung 2 sind alle Leistungen der Flachheizkörper dargestellt.
Berechnung des Handtuchheizkörpers
Da wir nun die Heizkörperleistungen der Flachheizkörper ermittelt haben, fahren wir mit der Berechnung des Handtuchheizkörpers im Bad des Obergeschosses fort.
Es handelt sich dabei um einen Handtuchheizkörper mit folgenden Maßen:
- Heizkörpertyp: Kompaktheizkörper
- Höhe: 1900 mm
- Breite: 500 mm
- Ventil voreinstellbar: Ja
- Typ: Danfoss
Zuerst gehen wir in den Bericht von DeltaQ – Heizflächenarten (Recknagel Sprenger) und suchen nach der Tabelle mit den Normwärmeleistungen für Handtuchradiatoren. Diese befindet sich in unserem Beispiel auf Seite 12 – Tafel 4-3 (siehe Abbildung 3).
Da die gemessene Breite nicht den exakten Werten aus der Tabelle entspricht, habe ich die Werte gewählt, die den gemessenen am nächsten kommen. Ich wähle als Heizkörperhöhe und eine Breite von
. Somit kommen wir mit den genannten Werten zu einer Heizkörperleistung von
und einem Heizkörperexponenten von
.
Es ergibt sich daraus folgende Formel:
Wenn wir nun die ermittelte Raumheizlast des Bades im Obergeschoss (siehe Schritt 2 der Serie hydraulischen Abgleich selber machen) von mit der ermittelten Heizkörperleistung von
vergleichen, sehen wir, dass die Heizkörperleistung bei den gewünschten Systemtemperaturen von 75/55/22 ausreicht und sogar überdimensioniert ist.
Bei der Berechnung mit einer Systemtemperatur von 70/50/22 ergab sich eine Heizkörperleistung von , welche auch noch weit ausreichend ist.
Berechnung Fußbodenerwärmung
Leider gibt es für die Fußbodenheizung (FBH) Fußbodenerwärmung in der Küche keine Unterlagen. Daher ermitteln wir die Leistung der Fußbodenerwärmung, wie vom Bundesverband Flächenheizung und Flächenkühlung e.V. (BVF) vorgeschlagen, über die Raumlast.
Diese Empfehlung stammt aus dem Leitfaden für den überschlägigen hydraulischen Abgleich von bestehenden Fußbodenheizungen des BVF. Demzufolge brauchen wir nur in Abbildung 5 des zweiten Schrittes dieser Serie schauen und die Raumlast der Küche (Raum Nr. 4) ablesen. Die Raumlast beträgt .
Fazit
Es ist sehr interessant zu sehen, wie hoch die überwiegende Anzahl der Heizkörper in dem sanierten Beispielgebäude überdimensioniert sind. Diese Tatsache hat mich sehr überrascht. Auf der Toilette im Erdgeschoss liegt die Überdimensionierung bei über . Im Wohnzimmer sind es bei einer Systemtemperatur von 75/55/22 immerhin
, bei einer angenommenen Systemtemperatur von 70/50/22
.
Es gibt zwei Bereiche mit unterdimensionierten Heizkörpern. Es handelt sich dabei um den Flur im Untergeschoss und um das Büro im Obergeschoss.
Da ich vermute, dass der Heizkörper im Untergeschoss des Flures zur Fußbodenerwärmung der Küche gehört, ist der Heizkörper im Flur zur Heizung der Küche zu zählen. Der Flur sollte über die Wärmeverluste der angrenzenden Räume an den Flur mit genügend Wärme versorgt werden. Ich habe die Fußbodenerwärmung in dem folgenden Artikel etwas genauer beschrieben: Fußbodenheizung oder Fußbodenerwärmung.
Die Heizkörperleistung im Büro wäre derzeit zu gering, um eine Raumtemperatur von zu erreichen. Da das Büro derzeit nicht als Büro genutzt wird, wäre es möglich dieses in ein Schlafzimmer umzuwandeln. Anschließend könnte man eine Raumtemperatur von
anstreben. Die vorhandene Heizkörperleistung würde mit einer Systemtemperatur von 75/55/18 knapp ausreichen (
) und die Raumlast von
nur um ca.
unterschreiten. Alternativ wäre es ratsam einen Heizkörper mit größerer Leistung zu installieren.
Mit den nun gewonnenen Daten ist es uns möglich im nächsten Schritt die Volumenströme der einzelnen Heizkörper und die Voreinstellungen für verschiedene Ventiltypen zu ermitteln.
Ich hoffe, dass ich euch die Berechnung der bestehenden Heizkörper in unserem Beispielgebäude verständlich aufzeigen konnte. Falls ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt, nutzt die Kommentarfunktion.
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Übersicht zur Serie “Hydraulischen Abgleich selber machen”:
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Beispiel an einem Einfamilienhaus
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 1: Grundlagen
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 2: Heizlastberechnung
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 3: Datenaufnahme
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 4: Berechnen der Heizkörperleistung
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Korrektur: Fußbodenheizung oder Fußbodenerwärmung?
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 5: Volumenstrom berechnen
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 6: Voreinstellung der Heizkörperventile
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 7: Heizungspumpe berechnen
Zugehörige Beiträge außerhalb der Beispielserie:
- Was ist ein hydraulischer Abgleich?
- Wie funktioniert ein Thermostatventil?
- Berechnung von alten Heizkörpern im Bestand
- Kosten für einen hydraulischen Abgleich berechnen
WICHTIG: Bevor ihr mit der Durchführung des hydraulischen Abgleichs beginnt, weise ich euch darauf hin, dass die hier geschilderten Arbeitsweisen auf meinen persönlichen Erfahrungen und Gedankengängen basieren. Das Ausprobieren und das Implementieren der beschriebenen Vorgehensweisen erfolgt ausschließlich auf eigene Verantwortung und Gefahr. Ich übernehme keine Verantwortung. Weiterhin empfehle ich euch die berechneten Werte immer von einem Fachhandwerker oder einem Ingenieurbüro prüfen zu lassen. Denn auch wenn der hier beschriebene Weg einfach erscheint, können sich immer wieder Rechenfehler einschleichen.
Liebe Grüße! Euer Martin
Weiterführend Links und Quellen:
DeltaQ – Heizflächenarten (Recknagel Sprenger)
Leitfaden für den überschlägigen hydraulischen Abgleich von bestehenden Fußbodenheizungen
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