Nachdem ihr die Grundlagen im ersten Schritt zum hydraulischen Abgleich verdaut habt, kommen wir nun zur Heizlastberechnung für das Gebäude und die jeweiligen Räume. Anhand von drei Beispielrechnungen zeige ich euch, dass ihr eure Heizlast im Handumdrehen berechnen könnt.
Die Heizlastberechnung ist eine entscheidende Grundlage für alle weiteren Schritte zur Durchführung des hydraulischen Abgleichs. Was die Heizlast eigentlich ist, erfahrt ihr in meinem Beitrag zur Heizlast.
Eine oft gestellte Frage ist: Wie berechne ich die Heizlast? Wie so oft gibt es mehrere Möglichkeiten die Heizlast zu berechnen. Ich werde euch dazu drei vereinfachte Rechenverfahren vorstellen, welche für die überschlägige Ermittlung der Heizlast in Bestandsgebäuden Anwendung finden. Bei Neubauten erfolgt eine detaillierte Heizlastberechnung anhand der realen Gebäudedaten durch eine Fachfirma.
- Heizlastberechnung mit der Heizlast-App von Honeywell
- Heizlastberechnung mit dem Datenschieber von Honeywell
- Heizlastberechnung über die energetischen Klassen von Gebäuden
Wichtig: Für die Förderung des hydraulischen Abgleichs in Bestandsgebäuden ist Verfahren B durchzuführen. Demnach muss die Heizlast nach dem „vereinfachten Verfahren“ gem. DIN EN 1281 erfolgen. Eine Durchführung mit Datenschieber oder über energetische Klassen von Gebäuden ist nicht mehr zulässig. Für das vereinfachte Verfahren gibt es kostenlose Apps und Tools, die dich dabei unterstüzten. Dazu gehört auch die hier vorgestellte Resido Heizlast App (ehemals Honeywell). Weitere kostenlose Alternativen sind beispielsweise DanBasic (Software von Danfoss), BWP Heizlastrechner oder Heizreport.
Inhaltsverzeichnis
Vorbereitung zur Heizlastberechnung
Bevor wir mit der Berechnung der Heizlast beginnen, stellen wir die Gebäudedaten zusammen, schauen uns die Grundrisse des Gebäudes an und erstellen eine Raumliste. Bei der Betrachtung der Grundrisse für das Beispielgebäude fällt auf, dass es im Zuge der Sanierung viele Umbauten gab. Die Raumflächen sind daher in diesem Beispiel teilweise geschätzt.
Gebäudedaten
Gegeben:
- Einfamilienhaus,
- Baujahr 1935,
- saniert 2005 (Fassade, Dach, Fenster, Heizung)
- Klimazone: -14 °C (Normaußentemperatur)
- Gesamtfläche (beheizt): 99 m²
- Raumhöhe mit Decke EG: 2,5 m
- Raumhöhe mit Decke OG: 2,5 m
Tipp: Eure Normaußentemperatur könnt ihr Postleitzahlengenau unter der folgenden Webseite vom Bundesverband Wärmepumpe ermitteln.
Raumliste
Erdgeschoss (EG)
- Raum 1: Vorraum, 2 Außenwände, 1 Fenster, 1 Außentür, Raumfläche: 6 m²
- Raum 2: Gäste WC, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 1 m²
- Raum 3: Waschraum, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 3,2 m²
- Raum 4: Küche, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 10,2 m²
- Raum 5: Wohnzimmer, 3 Außenwände, 3 Fenster, 1 Außentür, Raumfläche: 26,5 m²
- Raum 6: Flur und Treppenhaus, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 6,5 m²
Obergeschoss (OG)
- Raum 7: Schlafzimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 7,9 m²
- Raum 8: Bad, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 5,7 m ²
- Raum 9: Büro, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 13,2 m²
- Raum 10: Gästezimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 8,6 m²
- Raum 11: Flur und Treppenhaus, 2 Außenwände, 2 Fenster, Raumfläche: 10,2 m²
Mit den vorhandenen Gebäudedaten können wir nun mit der Ermittlung der Heizlast beginnen.
Heizlastberechnung mit der Resido Heizlast-App (ehemals Honeywell)
Eine der einfachsten und effizientesten Möglichkeiten für eine überschlägige Berechnung der Heizlast nach DIN EN 12831 könnt ihr mit der kostenlosen Heizlast-App von Resido (ehemals Honeywell) durchführen. Die Heizlast-App kann kostenlos im Google Playstore für Android und auf Apple Apps Store für iOS heruntergeladen werden. Nachfolgend findet ihr ein kleines Video von mir und eine schriftliche Anleitung für die App.
Im Folgenden möchte ich euch anhand eines Beispielraums zeigen, wie ihr die Heizlast per App ermitteln könnt. Zunächst werden in der App ein neues Projekt angelegt und die Projektdaten eingegeben. Abgefragt werden der Projektname, der Bauherr, die Auftragsnummer, die Auslegungstemperatur (Normaußentempratur) und die Temperaturspreizung zwischen Vor- und Rücklauf. Anschließend kann der erste Raum angelegt werden.
Tipp zur Normaußentemperatur: Die Normaußentemperatur kann inzwischen über den aktuellen Standort direkt in der App ermittelt werden.
Tipp für Vor- und Rücklauftemperaturen: Für die Temperaturspreizung könnt ihr die angestrebte Vor- und Rücklauftemperatur für den Auslegungsfall hinterlegen. In der nachfolgenden Tabelle findet ihr einige Beispiele für Systemtemperaturen verschiedener Wärmeerzeuger:
Wärmeerzeuger | Vorlauf | Rücklauf | Spreizung | Systemtemperatur |
Niedertemperaturkessel | 75 °C | 55 °C | 20 K | 75/55 |
Brennwertkessel | 50 – 75 °C | 35 – 55 °C | 15 – 20 K | 50/35, 60/40, 75/55 |
Wärmepumpe | 35 – 55 °C | 30 – 45 °C | 5 – 10 K | 35/30, 45/35, 55/45 |
Hinweis: Für den hydraulischen Abgleich werden bei Niedertemperatur- und Brennwertheizungen hohe Temperaturspreizungen von 15 bis 20 Kelvin angestrebt, um einen hohen Wärmestrom zu erreichen. Wärmepumpen laufen hingegen bei niedrigen Vorlauftemperaturen effizienter, sodass nur eine niedrige Spreizung zwischen 5 und 10 Kelvin angestrebt wird.
Beispielrechnung mit Heizlast-App für den Vorraum
Die von mir hinterlegten Werte könnt ihr in dieser PDF Datei nachlesen. Im ersten Schritt gebt ihr die Raumdaten an:
- Raumname: Vorraum
- Raumhöhe: 2,5 m
- Raumtemperatur: 20 °C
Als Raumtemperaturen könnt ihr folgende Werte für die Berechnung der Heizlast annehmen. Diese sind als „Standardwerte“ in der DIN EN 12831 hinterlegt.
Raumart | Temperatur |
Wohn- und Schlafräume | 20 °C |
Räume, welche unbekleidet genutzt werden (z. B. Bäder) | 24 °C |
WC-Räume | 20 °C |
beheizte Nebenräume außerhalb von Wohnungen (z. B. Hausflure und Treppenhäuser) | 15 °C |
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Nach der Eingabe der Grunddaten beginnen wir mit dem Luftwechsel des Raumes und haben hier verschiedene Auswahlmöglichkeiten. Ich habe mich für „normale Raumnutzung, dichte Fenster“ entschieden und die Grundfläche von 6 m² angegeben. Das Ergebnis ist 86,7 W.
Als Nächstes habe ich die Fläche für den Boden des Raumes mit 6 m² angegeben. Es handelt sich hierbei um einen Boden „angrenzend an einen unbeheizten Raum“ welcher dem Aufbau „Holzbalken-/ Stahlbetondecke, geschlossener Luftraum oder Schlackeschüttung, mit Trittschall“ entspricht. Das Ergebnis ist 127,5W.
Die Fläche zur Decke/ Dach kann für den Beispielraum vernachlässigt werden, da diese an einen beheizten Raum angrenzt.
Update: 12. Juni 2017: Danke an Stefan T. für seinen Hinweis in den Kommentaren: In der App werden nicht die Nettoflächen der Wände eingegeben, sondern die Bruttoflächen. Fenster und Türen werden durch die App von der Bruttofläche abgezogen.
Im nächsten Schritt habe ich die Nettofläche der Außenwand eingegeben. Diese beträgt abzüglich der Fenster- und Türflächen:
(0,38m+2,43m+0,19m+0,38m+2,44m+0,725m) * 2,5m = 16,4m²
Fläche abzüglich Fenster und Tür: 16,4m² – 1,05m² – 1,76m² = 13,6m²
Für die Außenwand habe ich „Ziegelstein, Kalksandstein, ca. 6 – 10 cm Wärmedämmung“ gewählt. Das Ergebnis ist 137,6 W.
Das Fenster hat eine „Doppelverglasung“ und eine Fläche von:
0,9 m * 1,17 m = 1,05 m².
Das Ergebnis ist 98,2 W.
Für die Tür habe ich eine „schwere Holztür“ gewählt, mit einer Fläche von:
0,9 m * 1,17 m = 1,05 m².
Das Ergebnis sind 164,6 W.
Addiert man die einzelnen Werte kommen man auf die Raumheizlast = 614 W. Daraus ergibt sich für den 6 m² großen Vorraum ein spezifischer Wert von 102,6 W/m² entspricht.
Auch wenn dieser Wert auf den ersten Blick vergleichsweise hoch erscheint, muss erinnert werden, dass wir mit ca. 50 % einen vergleichsweise hohen Anteil von Außenflächen haben und der Wert somit durchaus plausibel ist.
Zusammenfassung der Raumlasten ermittelt per App:
Erdgeschoss (EG)
- Raum 1: Vorraum, 2 Außenwände, 1 Fenster, 1 Außentür, Raumlast: 614 W
- Raum 2: Gäste WC, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 102 W
- Raum 3: Waschraum, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 172 W
- Raum 4: Küche, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 539 W
- Raum 5: Wohnzimmer, 3 Außenwände, 3 Fenster, 1 Außentür, Raumlast: 1882 W
- Raum 6: Flur und Treppenhaus, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 371 W
Obergeschoss (OG)
- Raum 7: Schlafzimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 728 W
- Raum 8: Bad, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 652 W
- Raum 9: Büro, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 583W
- Raum 10: Gästezimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 781W
- Raum 11: Flur und Treppenhaus, 2 Außenwände, 2 Fenster, Raumlast: 922 W
Gesamtheizlast
Gesamtheizlast = 7351W
Mithilfe der Heizlast-App von Honeywell ist die Summe aller Räume recht einfach zu ermitteln. In der App werden die Raumlasten immer abgerundet, sodass die Gesamtheizlast durch Addieren der Einzelwerte 7346 W ergibt.
Im Gesamtergebnis werden jedoch die Kommazahlen berücksichtigt, sodass wir eine Gesamtheizlast von 7351 W haben. Bei einer beheizten Gesamtfläche von 99 m² entspricht dies einem spezifischen Wärmebedarf von 74,25 W/m². Die hinterlegten Daten für das Beispielgebäude könnt ihr in dieser PDF Datei noch einmal nachlesen.
Heizlastberechnung mit dem Datenschieber von Honeywell
Hinweis: Der Datenschieber von Honeywell wird nicht mehr produziert. Demnach empfiehlt sich die Berechnung mit der Resido Heizlast-App. Dennoch möchte ich euch in diesem Abschnitt weiterhin zeigen, wie die Heizlast mit dem Datenschieber ermittelt wurde, da diese Daten als Grundlage für die weiteren Berechnungen herangezogen werden. Während ich die ursprüngliche Beitragsserie schrieb, gab es die App noch nicht.
Der Heizlast-Datenschieber von Honeywell (Abbildung 11) wurde für die vereinfachte Berechnung der Heizlast in Bestandsgebäuden entwickelt. Er basiert auf den Vorgaben der DIN EN 12831 und einem vereinfachten Rechenverfahren, welches an der Ostfalia Hochschule für angewandte Wissenschaften entwickelt wurde.
Herr Prof. Dr.-Ing. Dieter Wolff begleitete mit seinen Mitarbeitern die Entwicklung des Heizlast-Datenschiebers, welcher kostenlos bei Honeywell bezogen werden kann. Inhalt des Paketes sind der Datenschieber, eine Anleitung, ein Stift zum Einstellen der Werte (siehe Abbildung 12) sowie eine Tabelle zum Eintragen der Werte.
Mithilfe des Datenschiebers zeige ich folgend, wie man die Heizlast eines Raumes berechnen kann. Die Skala gibt dabei jeweils den Bereich des Rechenschiebers an, aus dem die Heizlast ermittelt wird. Die Übersicht der weiteren Berechnungen ist in dem ausgefüllten Datenblatt (Abbildung 13) zu sehen.
Beispielrechnung Raum 1: Vorraum
- Luftwechsel: normale Raumnutzung, dichte Fenster Fläche: 6 m² Skala 3 = 110 W
- Tür: an Außenluft, schwere Tür Fläche: 0,9 m * 1,96 m = 1,76 m² Skala 6a = 110 W
- Fenster: an Außenluft, doppeltes Wärmeschutzglas Fläche: 0,9 m * 1,17 m = 1,05 m² Skala 7a = 100 W
- Boden: an unbeheiztem Keller, Stahlbeton mit Trittschall und Estrich Fläche: 6 m² Skala 10b = 110 W
- Wand: an Außenluft, Außenwand mit 6…12 cm dicken Dämmschichten Fläche: (0,38 m + 2,43 m + 0,19 m + 0,38 m + 2,44 m + 0,725 m) * 2,5 m =16,4 m² Fläche abzüglich Fenster und Tür: 16,4 m² – 1,05 m² – 1,76 m² = 13,6 m² Skala 11a = 200 W
Raumheizlast = 630 W daraus ergibt sich für den 6 m² großen Vorraum eine Raumlast von 630 W, was einem spezifischen Wert von 105 W/m² entspricht.
Dieser Wert erscheint für einen sanierten Altbau auf den ersten Blick ziemlich hoch. Es muss jedoch gesagt werden, dass wir einerseits einen großen Anteil an Flächen mit direktem Kontakt zur Außenluft haben (ca. 50 %) und andererseits der Heizlast-Datenschieber für kleine Flächen etwas ungenau ist. Dennoch war die Ermittlung der Heizlast mit dem Datenschieber eine echte Alternative zum Schätzen nach Baualtersklassen. Die weiteren Raumlasten für das Gebäude sind in Abbildung 13 dargestellt.
Zusammenfassung der Raumlasten ermittelt per Datenschieber:
Erdgeschoss (EG)
- Raum 1: Vorraum, 2 Außenwände, 1 Fenster, 1 Außentür, Raumlast: 630 W
- Raum 2: Gäste WC, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 90 W
- Raum 3: Waschraum, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 130 W
- Raum 4: Küche, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 610 W
- Raum 5: Wohnzimmer, 3 Außenwände, 3 Fenster, 1 Außentür, Raumlast: 1830 W
- Raum 6: Flur und Treppenhaus, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumlast: 380 W
Obergeschoss (OG)
- Raum 7: Schlafzimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 550 W
- Raum 8: Bad, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 410 W
- Raum 9: Büro, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 990 W
- Raum 10: Gästezimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumlast: 670 W
- Raum 11: Flur und Treppenhaus, 2 Außenwände, 2 Fenster, Raumlast: 680 W
Gesamtheizlast
Gesamtheizlast = 6970 W
Mit Hilfe des Datenschiebers von Honeywell war es nun relativ einfach die Heizlast der einzelnen Räume zu ermitteln. Die Summe aller Raumlasten ergibt eine Gesamtheizlast von 6970 W, was bei einer beheizten Gesamtfläche von 99 m² einen spezifischen Wärmebedarf von 70,40 W/m² entspricht.
Heizlastberechnung über die energetischen Klassen von Gebäuden
Die zweite Möglichkeit zur Berechnung der Raumheizlast erfolgt über den spezifischen Wärmebedarf in Watt pro Quadratmeter (W/m²) nach energetischer Gebäudeklasse (siehe DeltaQ – Energetische Klassen von Gebäuden). Diese staffeln sich wie folgt:
- 130 – >200 W/m² Gebäude ohne Wärmeschutz von vor 1977
- 70 – 130 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1977
- 60 – 100 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1982
- 40 – 60 W/m² Gebäude nach Wärmeschutzverordnung von 1995
- 30 – 50 W/m² Gebäude nach EnEV 2002
- 25 – 40 W/m² Niedrigenergiehaus
- 15 – 30 W/m² Ultra–Niedrigenergiehaus (Drei-Liter-Haus)
Die Gebäudeklassen können auch wie nachfolgend dargestellt weiter vereinfacht werden:
- 120 W/m² Altbau, ohne besondere Wärmedämmung
- 60 – 100 W/m² Gebäude mit normaler Wärmedämmung
- 40 – 60 W/m² Neubau nach Wärmeschutzverordnung 1995
- 30 – 50 W/m² Neubau nach Wärmeschutz/ EnEV 2002
Ermittlung des spezifischen Wärmebedarfs
Um den spezifischen Wärmebedarf für einen sanierten Altbau abschätzen zu können, bedarf es etwas Erfahrung. Daher solltet ihr bei Unsicherheit den Rat einer Fachfirma heranziehen. Meine Annahme für das Beispielgebäude ist ein spezifischer Wärmebedarf von = 60 – 80 W/m², welcher sich aus folgender Annahme ergibt:
- Das Beispielgebäude wurde 1935 erbaut und 2005 saniert.
- Dabei wurden die Fassade und das Dach gedämmt, es wurden neue Fenster eingebaut und die Heizungsanlage wurde erneuert.
- Auch wenn das Gebäude 2005 energetisch saniert wurde, sind weiterhin erhöhte Wärmeverluste über die nicht energetisch sanierten Bereiche wie Keller und Türen zu verzeichnen.
Mit der genannten Annahme von = 60 – 80 W/m² ergeben sich folgende spezifische Raumheizlasten. Räume mit einem großen Anteil an Außenbauteilen werden dabei schlechter bewertet als Räume mit einem geringen Anteil an Außenbauteilen.
Erdgeschoss (EG)
- Raum 1: Vorraum, 2 Außenwände, 1 Fenster, 1 Außentür, Raumfläche: 6 m² spezifische Raumheizlast: 6 m² * 80 W/m² = 480 W
- Raum 2: Gäste-WC, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 1 m² spezifische Raumheizlast: 1 m² * 60 W/m² = 60 W
- Raum 3: Waschraum, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 3,2 m² spezifische Raumheizlast: 3,2 m² * 60 W/m² = 192 W
- Raum 4: Küche, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 10,2 m² spezifische Raumheizlast: 10,2 m² * 60 W/m² = 612 W
- Raum 5: Wohnzimmer, 3 Außenwände, 3 Fenster, 1 Außentür, Raumfläche: 26,5 m² spezifische Raumheizlast: 26,5 m² * 80 W/m² = 2120 W
- Raum 6: Flur und Treppenhaus, 1 Außenwand, 1 Fenster, Raumfläche: 6,5 m³ spezifische Raumheizlast: 6,5 m² * 60 W/m² = 390 W
Obergeschoss (OG)
- Raum 7: Schlafzimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 7,9 m² spezifische Raumheizlast: 7,9 m² * 80 W/m² = 632 W
- Raum 8: Bad, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 5,7 m² spezifische Raumheizlast: 5,7 m² * 80 W/m² = 456 W
- Raum 9: Büro, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 13,2 m² spezifische Raumheizlast: 13,2 m² * 80 W/m² = 1056 W
- Raum 10: Gästezimmer, 2 Außenwände, 1 Fenster, Raumfläche: 8,6 m² spezifische Raumheizlast: 8,6 m² * 80 W/m² = 688 W
- Raum 11: Flur und Treppenhaus, 2 Außenwände, 2 Fenster, Raumfläche: 10,2 m² spezifische Raumheizlast: 10,2 m² * 60 W/m² = 636 W
Gesamtheizlast
spezifische Gesamtheizlast = 7329 W
Mit der Hilfe von spezifischen Werten ist es uns gelungen, die spezifische Heizlast der einzelnen Räume zu ermitteln. Die Summe aller Raumlasten ergibt eine spezifische Gesamtheizlast von 7329 W, was bei einer beheizten Gesamtfläche von 99 m² einem spezifischen Wärmebedarf von 74,03 W/m² entspricht.
Fazit
Vorangehend wurden drei Möglichkeiten gezeigt, welche die vereinfachte Berechnung der Heizlast in Bestandsgebäuden zeigen. Nachfolgend sind noch einmal alle Daten zusammengefasst:
Raum | Raum Nr. | Raumlast HeizlastApp | Raumlast Datenschieber | Raumlast Gebäudeklassen |
Vorraum (EG) | 1 | 614 W | 630 W | 480 W |
Toilette (EG) | 2 | 106 W | 90 W | 60 W |
Waschraum (EG) | 3 | 172 W | 130 W | 192 W |
Küche (EG) | 4 | 539 W | 610 W | 612 W |
Wohnzimmer (EG) | 5 | 1882 W | 1830 W | 2120 W |
Flur (EG) | 6 | 371 W | 380 W | 390 W |
Schlafen (OG) | 7 | 728 W | 550 W | 632 W |
Bad (OG) | 8 | 652 W | 410 W | 456 W |
Büro (OG) | 9 | 583 W | 990 W | 1056 W |
Gast (OG) | 10 | 781 W | 670 W | 668 W |
Flur (OG) | 11 | 992 W | 680 W | 636 W |
Summe: | 7.351W | 6.970 W | 7.329 W |
Interessanterweise liegt die Abweichung der Gesamtheizlasten bei lediglich 5 %. Schauen wir uns jedoch die Raumheizlasten der einzelnen Räume genauer an, ergeben sich Abweichungen von bis zu 30 % (zum Beispiel: Raum 1: Vorraum – 630 W zu 480 W). Diese Abweichungen je Raum werden in allen Verfahren über alle Räume ausgeglichen, sodass die Gesamtheizlasten am Ende nur eine geringe Abweichung aufweisen. Da wir jedoch versuchen eine Heizungsanlage zu optimieren, ist die Heizlastberechnung Raumweise zum Vergleich mit den vorhandenen Bestandsheizkörpern wichtig.
Wichtig: Für die Förderung des hydraulischen Abgleichs in Bestandsgebäuden muss Verfahren B durchgeführt werden. Demnach muss die Heizlast nach dem „vereinfachten Verfahren“ gem. DIN EN 12831 erfolgen. Eine Durchführung mit Datenschieber oder über energetische Gebäudeklassen ist nicht mehr zulässig. Für das vereinfachte Verfahren gibt es kostenlose Apps und Tools, die dich dabei unterstützen. Dazu gehört auch die hier vorgestellte Resido Heizlast App (ehemals Honeywell).
Weitere kostenlose Alternativen für das vereinfachte Verfahren gem. DIN EN 12831 sind beispielsweise DanBasic (Software von Danfoss), BWP Heizlastrechner oder Heizreport.
Anfangs ist zwar ein geringerer Mehraufwand für die Datenaufnahme nötig, dieser wird sich jedoch im Nachhinein als Zeitvorteil herausstellen.
Hinweis: In den nächsten Schritten der Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“ werde ich die Raumheizlasten aus der Ermittlung mit dem Datenschieber von Honeywell nutzen, da ich die Funktion der App erst zu einem späteren Zeitpunkt erklärt habe.
Mit den nun gewonnenen Daten ist es uns möglich, den nächsten Schritt des hydraulischen Abgleichs anzugehen und mit der Datenaufnahme der Heizkörper zu beginnen. Falls ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt, nutzt die Kommentarfunktion.
Im Folgenden findet ihr die Übersicht zur Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“:
- Hydraulischer Abgleich – Beispiel an einem Einfamilienhaus
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 1: Grundlagen
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 2: Heizlastberechnung
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 3: Datenaufnahme
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 4: Berechnen der Heizkörperleistung
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Korrektur: Fußbodenheizung oder Fußbodenerwärmung?
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 5: Volumenstrom berechnen
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 6: Voreinstellung der Heizkörperventile
- Hydraulischen Abgleich selber machen – Schritt 7: Heizungspumpe berechnen
Zugehörige Beiträge zum hydraulischen Abgleich außerhalb der Serie:
Wichtig: Bevor ihr mit der Anleitung zum hydraulischen Abgleich beginnt, weise ich euch darauf hin, dass die hier geschilderten Arbeitsweisen auf meinen persönlichen Erfahrungen und meinen persönlichen Gedankengängen basieren. Das Ausprobieren und das Implementieren der beschriebenen Vorgehensweisen erfolgt ausschließlich auf eigene Verantwortung und Gefahr. Ich übernehme keine Verantwortung. Weiterhin empfehle ich euch die berechneten Werte immer von einem Fachbetrieb oder einem Ingenieurbüro prüfen zu lassen. Denn auch wenn der hier beschriebene Weg einfach erscheint, können sich immer wieder Rechenfehler einschleichen.
Viele Grüße, Martin
Weiterführend Links und Quellen:
Resido Heizlast-App – Google Play
Resido Heizlast-App – Itunes
DanBasic (Software von Danfoss)
BWP Heizlastrechner
Heizreport
Honeywell – Heizlast-Datenschieber
TGA Fachplaner – Heizlast-Datenschieber
DeltaQ – Energetische Klassen von Gebäuden
DeltaQ – Heizlastberechnung
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