Hydraulischer Abgleich im Vergleich: Statisch vs. Dynamisch vs. Adaptiv vs. Thermisch

von | Aktualisiert am 15.09.2024 | 3 Kommentare

Einige der Links auf meinem Blog sind Affiliate-Links. Das bedeutet, wenn du auf den Link klickst und den Artikel kaufst, erhalte ich eine Provision, ohne dass dir dadurch zusätzliche Kosten entstehen. Meine Meinung bleibt davon unberührt.

In meinem heutigen Beitrag versuche ich euch die Unterschiede zwischen statischen, dynamischen, adaptiven (automatischen) und thermischen hydraulischen Abgleich zu erklären. Zudem gehe ich der folgenden Frage nach:

Ist ein automatischer hydraulischer Abgleich mit smarten Heizkörperthermostaten möglich?

Da mit den vielen Begriffen zum hydraulischen Abgleich wild um sich geworfen wird, soll euch dieser Artikel dabei helfen, die Begriffe zu unterscheiden, um anschließend selbst zu entscheiden, welchen Abgleich ihr durchführen möchtet und welche Bauteile ihr dafür einsetzen wollt.

Zunächst einmal Danke an Mingiam10, der mir auf X (ehem. Twitter) folgende Frage gestellt hat. Diese ist nicht ganz so einfach zu beantworten, daher versuche ich etwas weiter auszuholen. Ein Fazit und meine Empfehlung findet ihr dann am Ende des Artikels.

Lohnt sich ein hydraulischer Abgleich?

Mit einem hydraulischen Abgleich soll die Wärme in eurem Haus optimal verteilt werden. In einer Warmwasserheizung ist das Medium Wasser der Träger für Energie in Form von Wärme. Die „Hydraulik“ beschreibt die Technik zur Verwendung von Flüssigkeiten, worunter auch die Energieübertragung zählt. Daher wird in der Fachwelt bei der Verbesserung der Wärmeverteilung in einem Heizungssystem vom „hydraulischen Abgleich“ gesprochen. In meinem Beitrag „Was ist ein hydraulischer Abgleich?“ findet ihr mehr Informationen.

Aufgrund steigender Energiepreise und dem steigenden Bewusstsein für Energieeffizienz ist der hydraulische Abgleich eine wichtige Maßnahme zur Optimierung der Heizungsanlage, der Wärmeverteilung und zur Senkung der Heizkosten. Die Einsparung liegt, je nach Gebäude und verbauter Technik, zwischen 5 – 15 %. Ein hydraulischer Abgleich lohnt sich daher in jedem Fall!

Hinweis: Im Jahr 2009 habe ich in einem Pilotprojekt einen statischen Abgleich in einem älteren Bestandsgebäude (Baujahr ca. 1890, ca. 1.950 m² beheizte Nettogrundfläche) durchgeführt. Da es keine Bestandsunterlagen von der Heizungsanlage gab, wurde der hydraulische Abgleich mit dem vereinfachten Berechnungsverfahren durchgeführt und mit überschlägigen Werten und Annahmen gerechnet. Dafür wurden an 125 Heizkörpern voreinstellbare Heizkörperventile und neue Thermostatköpfe installiert. Zudem wurden strangweise 19 Differenzdruckregler und drei elektronisch geregelte Umwälzpumpen für die einzelnen Heizkreise verbaut.  Die Energieeinsparung lag bei 13,1 % an Wärmeenergie im ersten Jahr. Die Amortisationszeit der Maßnahme lag bei 5,54 Jahren und war somit kurz- bis mittelfristig.

Wie ihr selbst einen hydraulischen Abgleich nach dem vereinfachten Verfahren durchführen könnt, findet ihr in meiner Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen: Beispiel an einem Einfamilienhaus“.

Unterschiede vom hydraulischen Abgleich – statisch, dynamisch, adaptiv und thermisch

Ob statisch, dynamisch, adaptiv oder thermisch, mit der Zeit haben sich die Bauteile für den hydraulischen Abgleich weiterentwickelt, diesen vereinfacht und verbessert. Es fällt daher schwer, die einzelnen Begrifflichkeiten auseinanderzuhalten. Nachfolgend findet ihr daher die einzelnen Begriffe erklärt und beschrieben. Da der hydraulische Abgleich auch in Kältesystemen durchgeführt werden muss, beziehe ich mich nachfolgend nur auf Heizsysteme.

Hinweis: Der hydraulische Abgleich in Einrohrheizuungsanlagen wird anders durchgeführt als in Zweirohrheizungsanlagen. Die nachfolgenden Beschreibungen gelten für Zweirohrsysteme.

Statischer hydraulischer Abgleich

Bei einem statischen hydraulischen Abgleich erfolgt die Einstellung der Wasserdurchflussmengen am Heizkörper manuell über ein voreinstellbares Heizkörperventil und kann während des Betriebs nicht geändert werden. In Abbildung 1 ist beispielhaft ein voreinstellbares Heizkörperventil mit sechs Voreinstellstufen zu sehen. Über die Einstellkulisse wird die Wasserdurchflussmenge mit einem speziellen Schlüssel voreingestellt.

voreinstellbares Heizkörperventil mit sechs Voreinstellstufen
Abbildung 1: Voreinstellbares Heizkörperventil mit sechs Voreinstellstufen

Die Wassermenge je Heizkörper und die daraus resultierenden Voreinstellwerte basieren auf der Berechnung mit den maximalen Lastanforderungen (Heizlast-Auslegungsfall, wenn es gemäß Norm draußen am kältesten ist) und hat das Ziel, jeden Raum über die vorhandenen Heizflächen mit ausreichend Wärme zu versorgen. Im Teillastfall und bei sich verändernden Bedingungen erfolgt jedoch keine Anpassung der hydraulischen Gegebenheiten.

Hinweis: Manche Anleitungen für den statischen hydraulischen Abgleich sehen die Voreinstellung über der Rücklaufverschraubung eines Heizkörpers vor. Diese Vorgehensweise ist nicht empfehlenswert, da die Voreinstellung schwer nachvollziehbar und sehr ungenau ist, sich kaum dokumentieren lässt und die eigentliche Aufgabe der Rücklaufverschraubung ein schnelles Absperren des Heizkörpers ist.

Zusammenfassung

  • Konstante Begrenzung: Nutzt nur konstante Voreinstellungen von Ventilen zur Durchflussbegrenzung, basierend auf einem einmalig ermittelten Sollwert.
  • Druckabhängigkeit: Die Regelung des Ist-Durchflusses ist druckabhängig und zielt darauf ab, den Sollwert nur unter dem ursprünglich betrachteten Betriebszustand nicht zu überschreiten. In anderen Betriebszuständen können Abweichungen auftreten.
  • Elektronisch geregelte Pumpen: Elektronische Umwälzpumpen sind ein Baustein im hydraulischen Abgleich, können diesen allein jedoch nicht ersetzen. Über elektronisch geregelte Umwälzpumpen könnt ihr die berechnete Förderhöhe (Förderdruck) und den ermittelten Gesamtvolumenstrom hinterlegen und somit eine energieeffiziente Wasserverteilung sicherstellen.

Nachfolgend noch einmal die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

  1. Wann sollte man einen statischen hydraulischen Abgleich durchführen?

    Auch wenn der statische hydraulische Abgleich besser als kein hydraulischer Abgleich ist, wird er aufgrund der Weiterentwicklung von Bauteilen in Neubauten nicht mehr empfohlen. Wenn ihr jedoch bereits voreinstellbare Heizkörperventile in eurem Gebäude verbaut habt, könnt ihr die Voreinstellwerte selbst berechnen und ohne hohe Kosten für neue Ventile einen hydraulischen Abgleich durchführen. Solltet ihr noch keine voreinstellbaren Heizkörperventile installiert haben, ist ein dynamischer hydraulischer Abgleich die bessere Wahl.

  2. Welche Bauteile kommen bei einem statischen hydraulischen Abgleich zum Einsatz?

    Als Bauteile kommen manuelle Thermostatköpfe, voreinstellbare Heizkörperventile und elektronisch geregelte Umwälzpumpen zum Einsatz. Nachfolgend findet ihr beispielhafte Komponenten für ein Einfamilienhaus von verschiedenen Anbietern. Anstatt manueller Thermostate könnt ihr auch smarte Thermostate verwenden.

Manuelle Thermostatköpfe
Voreinstellbare Heizkörperventile
elektronische geregelte Umwälzpumpe
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Oventrop Heizkörper-Ventil Thermostatventil Eckform 1/2 Zoll*
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Manuelle Thermostatköpfe
Oventrop Thermostat "Uni XH" mit Nullstellung für Gewinde M 30x1,5, weiß, 1011365*
Voreinstellbare Heizkörperventile
Oventrop Heizkörper-Ventil Thermostatventil Eckform 1/2 Zoll*
elektronische geregelte Umwälzpumpe
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Hinweis: In größeren Gebäuden mit vielen Heizsträngen kommen zusätzlich manuelle Strangregulierventile zum Einsatz, über die bereits im Heizungsstrang eine Voreinstellung der Wassermenge vorgenommen wird. In Abbildung 2 ist ein Strangregulierventil (1) mit Voreinstellkulisse und der Voreinstellung 4,9 (3) im Rücklauf sowie ein Absperrventil (2) im Vorlauf zu sehen.

Strangregulierventil mit Voreinstellkulisse in größeren Gebäuden
Abbildung 2: Strangregulierventil mit Voreinstellkulisse in größeren Gebäuden

Dynamischer hydraulischer Abgleich

Bei einem dynamischen hydraulischen Abgleich kommen „druckunabhängige Ventile“ zum Einsatz, sodass der hydraulische Abgleich im Voll- und Teillastfall möglich ist. Über druckunabhängige Ventile erfolgt ebenfalls eine Voreinstellung der Wassermenge am Ventil. Da die Ventile zusätzlich einen internen Differenzdruckregler besitzen, können zudem Druckverluste im Heizungsnetz und schwankende Volumenströme jederzeit ausgeglichen werden. In Abbildung 3 sind beispielhaft zwei aufgeschnittene, druckunabhängige Heizkörperventile zu sehen.

druckunabhängige Heizkörperventile
Abbildung 3: Druckunabhängige Heizkörperventile

Der voreingestellte Volumenstrom und der durch das Ventil vorgegebene Differenzdruck (z. B. 100 mBar) bleiben somit in jedem Lastfall konstant. Das nachfolgende Video von einem Danfoss Dynamic Valve erklärt dies beispielhaft.

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Mehr Informationen

Zusammenfassung

  • Einmalige Einstellung: Auch hier wird der Durchfluss einmalig auf einen festen Sollwert eingestellt, basierend auf einem spezifischen Betriebszustand (Heizlast-Auslegungsfall).
  • Druckunabhängigkeit: Die Regelung des Ist-Durchflusses ist druckunabhängig und kann den Sollwert in jedem Betriebszustand aufrechterhalten.
  • Elektronisch geregelte Pumpen: Elektronische Umwälzpumpen kommen auch beim dynamischen hydraulischen Abgleich, zum Einsatz. Hier könnt ihr die berechnete Förderhöhe (Förderdruck) und den ermittelten Gesamtvolumenstrom hinterlegen.

Nachfolgend noch einmal die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

  1. Wann sollte man einen dynamischen hydraulischen Abgleich durchführen?

    Der dynamische hydraulische Abgleich ist der Status quo und aktuell die Empfehlung für einen hydraulischen Abgleich in einer Zweirohrheizung. Solltet ihr noch keine voreinstellbaren Heizkörperventile an eueren Heizkörpern installiert haben, ist ein dynamischer hydraulischer Abgleich eure erste Wahl!

  2. Welche Bauteile kommen bei einem dynamischen hydraulischen Abgleich zum Einsatz?

    Als Bauteile kommen manuelle oder elektronisch geregelte (smarte) Thermostatköpfe, druckunabhängige Heizkörperventile und elektronisch geregelte Umwälzpumpen zum Einsatz. Nachfolgend findet ihr beispielhafte Komponenten für ein Einfamilienhaus von verschiedenen Anbietern.

Smarte Heizkörperthermostate
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Hinweis: In größeren Gebäuden (ab einer Pumpenförderhöhe von etwa 1,5 mWs) kommen zudem automatische Strangregulierventile (auch Differenzdruckregler genannt – siehe Abbildung 4) zum Einsatz, welche in der Regel aus einem Einstellventil (1) mit Membranteller (3) im Rücklauf und einem Partnerventil (2) im Vorlauf bestehen. Einstellventil und Partnerventil sind mit einer Impulsleitung (4) verbunden. Dadurch wird sichergestellt, dass bereits in den einzelnen Heizungssträngen eine Volumenstrombegrenzung vorgenommen wird und ein konstanter Differenzdruck herrscht.

automatisches Strangregulierventil (Differenzdruckregler)
Abbildung 4: automatisches Strangregulierventil (Differenzdruckregler)

Adaptiver (automatischer) hydraulischer Abgleich

In den Broschüren vieler Thermostathersteller werben diese, für ihre smarten Heizkörperthermostate, mit einem „adaptiven“ oder „automatischen“ hydraulischen Abgleich. Diese Thermostatköpfe sollt ihr demnach einfach auf vorhandenen Heizkörperventile (ohne Voreinstellung) montieren und anschließend würde der hydraulische Abgleich aufgrund eines Regelalgorithmus automatisch durchgeführt werden – ohne Berechnung.

Folgt man dem Entwurf der DIN 94679 Teil 1, so ist ein adaptiver hydraulischer Abgleich an einem Heizkörper nicht üblich und auch nicht möglich, da dafür „Adaptive Regelventile“ benötigt werden. Diese sind in der Lage, die Regelung adaptiv, also selbstlernend oder automatisch, zu beeinflussen. Hier wird jedoch ganz klar definiert, dass adaptive Regelventile einen integrierten elektronischen Durchflusssensor besitzen müssen, welcher beispielsweise per Ultraschall, den tatsächlichen Wasserdurchfluss (Volumenstrom) misst und anpasst:

Darüber hinaus verfügen genannte Ventiltypen über einen integrierten elektronischen Durchflusssensor. Dieser misst den tatsächlichen Durchfluss (z.B. per Ultraschall).
E DIN 94679-1:2022-10, Hydraulische Systeme in heiz-, kühl- und raumlufttechnischen Anlagen – Teil 1: Grundlagen des Hydraulischen Abgleichs
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Mir ist bis jetzt kein smartes Thermostat bekannt (auch nicht von denen, die ich getestet habe), welches diese Eigenschaft aufweist.

Hinweis: Im Entwurf der DIN 94679 Teil 1, Tabelle 2 — Übersicht über Verfahren des Abgleichs von Anlagenbereichen, wird zudem hervorgehoben, dass ein hydraulischer Abgleich mittels „Smart Valves“ an „Heizkörper, Radiatoren, Konvektoren (Zweirohr)“ nicht gebräuchlich ist.

Ich habe versucht dies in meinem Beitrag „Automatischer hydraulischer Abgleich – Alles Quatsch?!“ zu thematisieren. Doch warum werben so viele Firmen mit einem adaptiven oder automatischen hydraulischen Abgleich? Die Antwort gibt es vielleicht im nächsten Abschnitt zum „thermischen Abgleich“.

Zusammenfassung

  • Anpassungsfähigkeit: Diese Systeme passen sich kontinuierlich und selbstständig an den aktuellen Bedarf an, indem sie Durchflussmengen entsprechend dem momentanen Betriebszustand begrenzen.
  • Vorgehensweise: Permanente automatische Erfassung des Soll-Durchflusses und druckunabhängige Regelung, um den Ist-Durchfluss entsprechend anzupassen.
  • Installation: Die erforderlichen Mess- und Auswertungseinrichtungen müssen dauerhaft integriert sein. Aktuell kaum umsetzbar für Heizkörpersysteme.
  • Komponenten: Aktuell sind mir keine smarten Thermostate bekannt, welche diese Aufgaben erfüllen können.

Mögliche Lösung: Ein System, welches die Anforderungen an einen adaptiven hydraulischen Abgleich erfüllen könnte, wäre nach meiner Auffassung das dezentrale Pumpensystem „Geniax“ von Empur, welches ursprünglich vom Pumpenhersteller Wilo entwickelt wurde. Hier sind anstatt Thermostatköpfe, kleine Umwälzpumpen, mit eigenem Stromanschluss und Verbindung an die Regeltechnik, an jedem Heizkörper installiert. Dieses System ist jedoch sehr teuer und rechnet sich in der Regel nicht.

Thermischer Abgleich

Für den „thermischen Abgleich“ gibt es im Entwurf der DIN 94679 einen Extrateil: „Teil 4 – Temperaturbasierte Alternativen zum hydraulischen Abgleich“. Der thermische Abgleich oder die temperaturbasierte Alternative wird in dem Dokument als „gleichzeitigkeitsbasierte Optimierung ohne Einzelabgleich“ bezeichnet. Das bedeutet eine hydraulische Optimierung ohne Volumenstrombegrenzung an der Wärmeübergabe wie Heizkörper oder Fußbodenheizung.

Das Grundprinzip dieses Verfahrens ist die Vermeidung von Situationen, in denen alle Übergabeeinrichtungen gleichzeitig eine maximale Leistung anfordern. Die Gleichzeitigkeit solcher Anforderungen soll durch geeignete Bauteile (etwa smarte Thermostate) reduziert werden und energetisch unterversorgte Bereiche reduzieren, ohne die Durchflussraten an jedem Punkt direkt zu begrenzen.

Anwendungsbereich

Nach meinem Verständnis des Entwurfs der DIN 94679 Teil 4 ist diese Form der Optimierung besonders für integrierte Heizsysteme wie Fußboden-, Wand- und Deckenheizungen geeignet. Zum einen wird explizit auf die DIN EN 1264 (Norm für Fußbodenheizungen) verwiesen, und zum anderen wird hervorgehoben, dass es sich besonders bei Systemen mit hoher thermischer Trägheit und Temperaturspreizungen 9 K eignet.

Zum besseren Verständnis ist im Nachfolgenden Bild (Abbildung 5) ein Heizkreisverteiler für eine Fußbodenheizung mit Regelventilen und passender Regelung zu sehen.

Thermischer Abgleich für Fußbodenheizung
Abbildung 5: Thermischer Abgleich für Fußbodenheizung

Thermischer Abgleich für Heizkörper?

Obwohl das Verfahren vorwiegend für integrierte Heizsysteme beschrieben wird, kann es theoretisch auch auf andere Arten von Übergabesystemen, einschließlich Heizkörpern, angewendet werden, sofern die Steuerungstechnologie in der Lage ist, die Leistungsanforderungen entsprechend zu optimieren. Bei typischen Heizkörpern, die eine geringe thermische Trägheit aufweisen, könnte die Implementierung allerdings komplexer sein und möglicherweise nicht dieselben Effizienzvorteile bieten.

Hinweis: Im Entwurf der DIN 94679 Teil 1, Tabelle 2 — „Übersicht über Verfahren des Abgleichs von Anlagenbereichen“, wird hervorgehoben, dass ein adaptiver thermischer Abgleich an „Heizkörper, Radiatoren, Konvektoren (Zweirohr)“ nicht gebräuchlich ist.

TÜV Zertifikate und Bestätigung von Fraunhofer

Ich habe versucht, die Bestätigung von Fraunhofer für Homematic IP und die TÜV Zertifikate für Danfoss zum „automatischen hydraulischen Abgleich“ zu verstehen. Als Ergebnis kann ich mir nur vorstellen, dass es sich dabei um temperaturbasierte Alternativen zum hydraulischen Abgleich handelt.

Die hydraulische Optimierung erfolgt dann mit smarten Heizkörperthermostaten, welche die Raumtemperatur als Messgröße nutzen und so gesteuert werden, dass nicht alle Heizkörperventile gleichzeitig geöffnet sind. Stattdessen werden die Thermostate so gesteuert, dass die Heizkörper abwechselnd Wärme abrufen. Die Steuerinformationen erhalten die Thermostate dann beispielsweise von zusätzlich installierten Raumthermostaten. Danfoss gibt dabei an, dass der thermische Abgleich mit ihren Thermostaten (Ally und Eco) mit maximal 20 Heizkörpern, und bei Fußbodenheizungen (Icon 2) mit maximal 20 Heizkreisen durchgeführt werden kann.

Hinweis: Danfoss weist auf seiner Webseite darauf hin, dass ein gut funktionierender hydraulischer Abgleich (sie nennen es „effizienzoptimierter hydraulischer Abgleich„) nur in Kombination mit Berechnung und Automatik erreicht werden kann (siehe hier – weiter unten im Artikel). Dies würde dann einem dynamischen hydraulischen Abgleich mit elektronischen Thermostaten gleichkommen.

Was mich am TÜV Zertifikat für Danfoss etwas irritiert, ist die folgende Aussage. Demnach scheint es so, dass der TÜV den Test nicht selbst durchgeführt hat, sondern nur die Ergebnisse eines Berichtes von Danfoss gesichtet hat. Fall hier jemand andere Informationen hat, bitte in den Kommentaren posten.

Grundlage hierfür ist der Bericht „Validierung des hydraulischen Abgleichs mit Danfoss Ally™“ der Firma Danfoss vom 17.11.2021 mit der Durchführungsbeschreibung und den zusammengefassten Ergebnissen.

Auf meine Nachfrage bei Homematic IP, wie deren Thermostate den hydraulischen Abgleich durchführen, wurde mir mitgeteilt, dass es sich um geschützte Informationen handelt, die nicht mit Dritten geteilt werden können.

Zusammenfassung

  • Thermische Trägheit: Der Schlüssel zur Effektivität dieses Verfahrens liegt in der thermischen Trägheit des Systems. Flächenintegrierte Heizsysteme wie Fußbodenheizungen speichern Wärme über längere Zeiträume und reagieren langsamer auf Änderungen, was eine Optimierung der Gleichzeitigkeitsanforderungen praktikabler macht.
  • Einsatzgrenzen: Bei Systemen mit schneller Reaktionsfähigkeit, wie traditionellen Heizkörpern, könnte die Anwendung des gleichzeitigkeitsbasierten Optimierungsverfahrens ohne Einzelabgleich deutlich weniger effektiv sein, da die Bedürfnisse für eine schnelle Anpassung an die Raumtemperatur anders sind und eine individuelle Regelung der Durchflüsse nicht gegeben ist.

Nachfolgend noch einmal die wichtigsten Fragen und Antworten zusammengefasst.

  1. Wann sollte man eine temperaturbasierte Alternative zum hydraulischen Abgleich durchführen?

    Eine temperaturbasierte Alternativen sollte meiner Meinung nach nur dann Anwendung finden, wenn es sich um sehr wenige Heizkörper im Haus handelt und ihr keine Fachfirma finden könnt, die euch den hydraulischen Abgleich durchführen möchte.

    In der Regel sind temperaturbasierte Alternativen nur in Ein- bis Zweifamilienhäusern mit maximal 10 – 20 Heizkörpern umsetzbar. Beachtet aber bitte, dass ein thermischer Abgleich laut dem Entwurf der DIN 94679 bei Heizkörpern nicht gebräuchlich ist.

    Bei größeren Heizungsnetzen ist die Hydraulik ohnehin zu komplex und kann von smarten Thermostaten nicht mehr reguliert werden. Die zulässige Anzahl optimierbarer Instanzen (Heizkörper oder Heizkreise bei Fußbodenheizungen) muss daher vom Anbieter angegeben werden (bei Homematic IP habe ich diese nicht gefunden).

  2. Welche Bauteile kommen bei einer temperaturbasierten Alternative zum hydraulischen Abgleich zum Einsatz?

    Als Bauteile kommen zertifizierte, smarte Heizkörperthermostate zum Einsatz. Die zulässige Anzahl optimierbarer Instanzen muss laut DIN 94679 dabei vom Anbieter angegeben werden. Bei Danfoss Eco und Ally liegen diese beispielsweise bei 20 Heizkörpern und für Danfoss Icon bei 20 Heizkreisen einer Fußbodenheizung.

Fazit

Der Entwurf zum dritten Teil der DIN 94679 „Verfahren für bestehende Heizungsanlagen in Wohngebäuden ist bisher nicht erschienen. Ich bin gespannt, ob smarte Heizkörperthermostate als temperaturbasierte Alternative für den hydraulischen Abgleich an Heizkörpern darin aufgenommen werden.

Ob sich eine hydraulische Optimierung mit smarten Heizkörperthermostaten lohnt, kann aktuell zudem nur schwer gesagt werden. Die Bestätigungen zum „automatischen hydraulischen Abgleich“ wurden nach meinem Verständnis nur an wenigen Heizkörpern, in kleinen Heizkreisen und unter Laborbedingungen getestet. Daher fehlen für diese Systeme valide Erfahrungswerte aus der Praxis.

Um auf die Frage von @Mingiam10 zurückzukommen, kann ich diese nach diesem Beitrag wie folgt beantworten:

Daher meine Empfehlung: Es sollte ein dynamischer hydraulischer Abgleich bei Zweirohrheizungen durchgeführt werden, welcher durch smarte Heizkörperthermostate unterstützt wird. In meiner Serie „Hydraulischen Abgleich selber machen“, gibt es dazu viele nützliche Informationen. Nachfolgend noch einmal die Bauteile für einen dynamischen hydraulischen Abgleich: Smarte Heizkörperthermostate (Testberichte), druckunabhängige Heizkörperventile und elektronisch geregelte Pumpen.

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Falls Ihr meine Einschätzung anders seht und ihr den Entwurf zur DIN 94679 anders versteht oder andere Informationen habt, freue ich mich auf eure Kommentare. Ich lerne gerne dazu und vielleicht habe ich auch etwas übersehen. Ich muss gestehen, dass der Entwurf zur DIN 94679 nicht einfach zu lesen und zu verstehen ist.

Ich hoffe, ich konnte euch dennoch einen Überblick zu den verschiedenen Varianten zum hydraulischen Abgleich geben. Falls ihr Fragen, Anregungen oder Kritik habt, nutzt die Kommentarfunktion.

Viele Grüße! Martin

Weiterführende Links und Quellen:
TÜV Zertifikate Danfoss
Fraunhofer Bestätigung Homematic IP

Titelbild: Erstellt mit DALL-E von OpenAI.

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